Rumi-Impuls e.V.

Autor: Hanifa Haqani

In der täglichen Arbeit gegen Diskriminierung und Rassismus begegne ich immer wieder Menschen, die sich mit großem Engagement für eine gerechtere Gesellschaft einsetzen. Und dennoch fällt mir ein blinder Fleck auf, der sich in Sprache, Haltung und Struktur zeigt – auch in Kontexten, die es gut meinen.

Stigmatisierung passiert nicht nur von außen. Sie kann auch innerhalb der antirassistischen Arbeit selbst stattfinden.

Ein Beispiel dafür ist die verbreitete Pauschalisierung von weißen Menschen als grundsätzlich privilegiert und automatisch in der Rolle der Täterinnen und Täter. Diese Sichtweise mag aus einer kritischen Auseinandersetzung mit Machtverhältnissen verständlich erscheinen. Doch sie wird der individuellen Lebensrealität vieler Menschen nicht gerecht.

Was ist mit weißen Menschen, die selbst aus armen Verhältnissen kommen, Ausgrenzung durch Armut, fehlenden Bildungszugang oder Herkunft erfahren haben und sich selbst nie als privilegiert erlebt haben? Wenn solche Menschen in antirassistischen Zusammenhängen pauschal als Teil eines übergeordneten Machtgefüges gesehen werden, das automatisch profitiert, entsteht nicht selten ein Gefühl der Ablehnung oder des Nichtverstandenwerdens.

Solche Spannungen führen in vielen Fällen zu Rückzug oder Abwehr. Und genau das kann der antirassistischen Arbeit langfristig schaden. Wer Ausgrenzung abbauen möchte, muss in der Lage sein, Komplexität anzuerkennen. Es reicht nicht aus, die Welt in oben und unten, privilegiert und unterdrückt einzuteilen. Es braucht das Verständnis dafür, dass mehrere Formen von Benachteiligung gleichzeitig wirken können. Und dass sich gesellschaftliche Ohnmacht nicht immer entlang ethnischer oder kultureller Linien erklären lässt.

Das bedeutet:

Antirassistische Arbeit muss Raum schaffen für soziale Unterschiede und persönliche Erfahrungen.

Sie braucht eine Sprache, die nicht neue Grenzen zieht, sondern Begegnung und Verständnis ermöglicht.

Und sie braucht eine Haltung, die bereit ist, sich selbst zu hinterfragen. Besonders dann, wenn Ausgrenzung genau dort entsteht, wo eigentlich Teilhabe das Ziel ist.

Eine gerechte Gesellschaft entsteht nicht durch neue Trennlinien, sondern durch Gespräche, die Zugehörigkeit, Lebenswirklichkeit und Identität in ihrer ganzen Vielfalt ernst nehmen. Die Arbeit gegen Rassismus muss dabei immer wieder nach innen schauen – mit der Bereitschaft, Widersprüche auszuhalten und Stimmen zu hören, die nicht ins gewohnte Raster passen.