Rumi-Impuls e.V.

Autor: Hanifa Haqani

Die gegenwärtige Lage im Gazastreifen ist das Ergebnis eines über Jahrzehnte ungelösten, tief verwurzelten Konflikts. Gewalt, politische Sackgassen und wachsende Radikalisierung haben auf beiden Seiten ein Klima der Angst, des Misstrauens und der Hoffnungslosigkeit geschaffen. Die jüngsten Eskalationen sind keine plötzliche Entgleisung. Sie sind die Konsequenz eines gefährlichen Stillstands, der längst zur Normalität geworden ist.

Ein zentrales Hindernis auf dem Weg zu Frieden ist der Einfluss extremistischer Kräfte. Auf beiden Seiten gibt es Gruppen, die mit gezielter Gewalt, Hetze und Verhärtung der Fronten jede Verständigung untergraben. Besonders die radikal-islamistische Hamas, die den Gazastreifen autoritär kontrolliert, hat durch ihren brutalen Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 jede moralische und politische Legitimität verloren. Die gezielten Angriffe auf Zivilisten, Mord, Folter, Entführungen haben eine Zäsur markiert. Ein solcher Terror hat keinen Platz in einem politischen Prozess und darf niemals relativiert werden.

Bis heute werden noch Geiseln im Gazastreifen festgehalten. Ihr Schicksal ist ungewiss. Unter ihnen befinden sich auch besonders schutzbedürftige Menschen. Ihre sofortige und bedingungslose Freilassung ist ein unverhandelbares Gebot der Menschlichkeit und ein Gradmesser für jede ernsthafte politische Bewegung. Wer auf Frieden hofft, muss mit dieser Forderung beginnen.

Gleichzeitig ist es wichtig, zwischen der Hamas und der palästinensischen Bevölkerung zu unterscheiden. Viele Menschen in Gaza leben unter repressiven Bedingungen, ohne politische Mitbestimmung, ohne Schutz vor Gewalt und nicht selten selbst unter dem Druck dieser Organisation. Auch sie haben ein Recht auf Sicherheit, Freiheit und ein Leben in Würde.

Doch nicht nur im Gazastreifen sind extreme Kräfte aktiv. Auch auf israelischer Seite gibt es Entwicklungen, die den Weg zu einem gerechten Frieden erschweren ,etwa radikale Siedlergewalt, politische Polarisierung oder ein mangelnder Schutz für arabische Bürger. Wer Frieden will, muss bereit sein, auf allen Seiten Selbstkritik zuzulassen – ohne falsche Gleichsetzung, aber mit ehrlichem Blick auf die Wirklichkeit.

Was jetzt gebraucht wird, ist mehr als ein Waffenstillstand: Es braucht neue, unabhängige Stimmen, die nicht Teil der alten Strukturen sind. Vermittlung muss von außen kommen durch Menschen und Institutionen, die nicht von Eigeninteressen getrieben sind. Nur so kann ein politischer Prozess beginnen, der langfristig tragfähig ist.

Die Hamas darf in diesem Prozess keine Rolle mehr spielen. Eine Organisation, die sich dem Terror verschrieben hat, kann nicht Teil einer friedlichen Zukunft sein. Ihre politische und militärische Entmachtung ist Grundvoraussetzung für jede tragfähige Lösung. An ihre Stelle müssen neue, glaubwürdige Vertreter der palästinensischen Zivilgesellschaft treten, Menschen, die für Dialog, Kompromiss und Menschenrechte einstehen.

Und: Ohne eine klare und unmissverständliche Absage an jeden Antisemitismus wird es keinen Frieden geben. Antisemitische Rhetorik, Hetze gegen jüdisches Leben oder die Leugnung des Existenzrechts Israels vergiften das Klima auch in Europa. Wer Palästinenser unterstützt, darf nicht schweigen, wenn Jüdinnen und Juden angegriffen oder bedroht werden. Antisemitismus ist keine Meinung, sondern ein Angriff auf die Menschenwürde und mit keiner gerechten Sache vereinbar.

Frieden im Nahen Osten ist möglich. Aber er beginnt nicht mit Vereinfachungen, Schuldzuweisungen oder ideologischen Parolen. Er beginnt mit Mut zur Differenzierung, mit klarer Haltung gegen Extremismus und mit einem echten politischen Willen zur Veränderung. Nur wenn die Menschlichkeit wieder zum Maßstab wird, kann aus jahrzehntelanger Gewalt eine neue Perspektive entstehen für Israelis, für Palästinenser, für uns alle.