Am vergangenen Samstag ist Ursula Spuler-Stegemann verstorben. Für viele war sie eine engagierte Islamwissenschaftlerin, eine klare Stimme in gesellschaftlichen Debatten und eine prägende Professorin an der Universität Marburg. Für mich jedoch war sie weit mehr: Vor 29 Jahren war sie meine Dozentin in der Religionswissenschaft – und seitdem eine enge, langjährige Freundin.
Unsere Beziehung war von Anfang an geprägt von Offenheit, Respekt und einer tiefen Neugier auf die Welt des jeweils anderen. Ich als gläubige Muslimin und sie als kritische Religionswissenschaftlerin waren nicht immer einer Meinung – und das war der Anfang einer besonderen Verbindung. Wir stritten über Kontroverses, diskutierten lebhaft und leidenschaftlich. Doch gerade darin lag das Wertvolle: Wir hörten einander zu, wir widersprachen, wir fragten nach, wir lernten voneinander. Sie forderte mich heraus, Dinge aus neuen Perspektiven zu betrachten, das Extreme zu erkennen und auch schwierige Themen nicht zu meiden. Und ich glaube, ich durfte ihr ebenso neue Einsichten schenken.
So unterschiedlich wir in manches hineingingen, so nah waren wir uns in anderem. Besonders unsere gemeinsame Liebe zu Tieren band uns auf eine leise, warme Weise zusammen. Wir konnten lachen – manchmal laut, manchmal mit dieser stillen Heiterkeit, die nur unter Freunden entsteht, die sich seit Jahren kennen. Und dieses Lachen trug uns noch einmal, ganz zuletzt, als wir uns im Krankenhaus verabschiedeten. Dass wir in diesem Moment miteinander lachen konnten, war ein Geschenk. Es macht den Abschied etwas leichter und lässt die Erinnerung umso heller werden.
Ursula bleibt für mich nicht nur als Wissenschaftlerin in Erinnerung, sondern als Mensch: klug, streitbar, humorvoll, herzlich und mutig. Ein Mensch, der dachte, fragte, forderte – und gleichzeitig zugewandt, neugierig und offen blieb. Ich werde ihre Stimme vermissen, ihre scharfen Gedanken, ihr leises Lächeln und ihre Bereitschaft, sich auf den anderen einzulassen.
Sie bleibt in meinem Herzen – in Menschlichkeit.
Deine Hanfia Haqani